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Teodor Currentzis

© Sony Music/Anton Zavyalov

Die Kandidaten der Berliner Philharmoniker (3): Der griechische Renaissance-Punk

Am 11. Mai wählen die Berliner Philharmoniker ihren neuen Chef. Bis zum 10. Mai stellen wir täglich einen der Kandidaten vor. Heute: Teodor Currentzis.

Jetzt nehmen wir die Philharmoniker doch einfach mal beim Wort: Jeder lebende Dirigent sei im Rennen um die Rattle-Nachfolge, erklärt Orchestervorstand Peter Riegelbauer. Und mitten im prallen Musikleben bewegt sich Teodor Currentzis, wenn auch außerhalb unserer festgefügten klassischen Landkarte: Er ist Musikchef in Perm, ganz am Rande Europas, zuvor wirkte er als Chefdirigent in Nowosibirsk Wunder. Der gebürtige Grieche, Jahrgang 1972, ließ sich in St. Petersburg ausbilden, beim legendären Ilja Musin, durch dessen Schule auch Valery Gergiev und Semyon Bychkov gegangen sind. Doch mit ihrem altmeisterlichen Gestus verbindet Currentzis nichts. Er führt die Musik wieder aufs Elementare zurück: aufs Zuhören, Lernen, miteinander Wachsen. Auf eine verschworene Gemeinschaft, die Kunst lebt.

Dabei macht der Dirigent im schwarzen Rüschenärmelhemd keine Kompromisse: Geprobt wird so lange, bis das Ergebnis eine Aufführung auch rechtfertigt. Seine Musiker erhalten unter anderem Unterricht in Literatur und barockem Tanz, man arbeitet bis spät in die Nacht und isst dann noch zusammen.

Für die verwöhnten Individualisten in der Philharmonie wäre Currentzis natürlich ein Schock. Doch er könnte heilsam sein und bei der Beantwortung der Frage helfen, was es denn heute eigentlich heißt, das beste Orchester der Welt zu sein. Dafür bringt der Grieche aus Russland unbedingten Arbeits- und Ausdruckswillen mit. Hören kann man das zum Beispiel bei seinem Da-Ponte-Zyklus aus Perm. Und die Reise geht weiter, demnächst mit Wagner bei der Ruhrtriennale. Eingeladen haben die Philharmoniker Currentzis übrigens schon einmal, als Gast, mit seinem Ensemble Musicaeterna in der Reihe „Originalklang“. Es wurde ein rauschender Erfolg. Seitdem hoffen Klassikfans auf ein Wiederhören.

Wenn die Philharmoniker nach dem Liverpooler Lockenkopf Rattle nun einen Renaissance-Punk an ihre Spitze wählen, wären sie mit einem Schlag den Verdacht los, sie könnten es sich gemütlich machen wollen mit ihrem Ruhm.

Bisher erschienen: Christian Thielemann, Andris Nelsons

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